Interview

Achim Schaffrinna

Welche Rolle spielt Design aus Ihrer Sicht bei der Digitalisierung von Städten - und wie verändert sich durch den Einsatz von Design das Selbstverständnis der Kommunen?

Es gibt insgesamt einen immensen Nachholbedarf in den Kommunen beim Thema Design. Das geht damit einher, dass es relativ wenig Inhouse-Know-how gibt. Kreative und konzeptionelle Dienstleistungen werden in der Regel eingekauft. Gerade die skandinavischen Länder und Großbritannien sind diesbezüglich mehrere Schritte voraus. In Skandinavien herrscht zudem ein völlig anderes Designverständnis. Auch gewöhnliche und alltägliche Dinge werden bewusst gestaltet. In Norwegen beispielsweise wurde der Reisepass mit einer Agentur gemeinsam entwickelt.

Ziel und Anspruch einer Gemeinde sollte meiner Meinung nach sein, digitale Services anzubieten (...)

Achim Schaffrinna
Empfehlungen für die Praxis

Deswegen finden sich dort auch unglaublich viele gute digitale Angebote. Die Webportale von Oslo oder Göteborg sind als Benchmark anzusehen. Auch die Website der britischen Regierung (Gov.UK) ist ein großartiges Beispiel für gutes Design, das an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist. Dort arbeiten viele Tausend Menschen in diesem Kontext und es gibt übergreifende Designstandards und User Experience Guidelines. Ziel und Anspruch einer Gemeinde sollte meiner Meinung nach sein, digitale Services anzubieten, und nicht nur eine Website zu unterhalten. Dazu braucht es einen Perspektivwechsel. Hier sind Designer gefragt, die es gewohnt sind, in die Rolle der Anwender zu schlüpfen.

Die Pandemie hat gezeigt, dass es auch möglich ist, in vergleichsweise kurzer Zeit digitale Angebote aufzubauen. Komplexe Verwaltungsstrukturen in Deutschland verhindern jedoch agiles Arbeiten und noch schnellere Lösungen. Aufgrund des Fehlens von Inhouse-Know-how lässt die Qualität digitaler Angebote zudem zu wünschen übrig – als Beispiel seien die Impfportale genannt, die erst Wochen nach Launch voll funktionstüchtig waren. Aufgrund der Verflechtung zahlreicher Instanzen dauert es viel zu lang, bis Fehler korrigiert werden. Was im Design völlig normal ist, nämlich, dass sich Entwicklungen nach dem Prinzip Trial and Error vollziehen, gilt auf kommunaler Ebene als Versagen. Fehler will man sich nicht erlauben. Aber sie gehören zur Entwicklung dazu! Hier braucht es in den Kommunen eine Kultur, in der Fehler als Bestandteil jeglicher Innovation anerkannt werden.

Und Kommunen brauchen eine Kultur des Miteinanders zwischen Verwaltung und externen Partnern. Hierfür ist Bochum ein gutes Beispiel, wo im Rahmen eines gelungenen Designprozesses zahlreiche Agenturen, Büros und Selbstständige gemeinsam ein ganzheitliches visuelles Erscheinungsbild für die Stadt erarbeitet haben.

Foto von Achim Schaffrinna

Achim Schaffrinna hat an der FH Hannover Kommunikations- und Interaktionsdesign studiert. Nachdem er viele Jahre im Agenturumfeld und für Unternehmen gearbeitet hat, ist er seit 2011 als selbstständiger Designer und Berater tätig.

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