Welche Fortschritte macht der Freistaat Sachsen aktuell bei der anwender*innenzentrierten Digitalisierung von behördlichen Fachanwendungen?
Diese Frage impliziert, dass wir bereits eine anwender*innenzentriete Digitalisierung durchführen, aber die Frage ist ja: Werden überhaupt schon Anwender*innen einbezogen? Oft führt aktuell eher das Marktinteresse zu einer Anwender*innenzentrierung, da professionelle Anbieter*innen aus ökonomischen Gründen möchten, dass ihre Anwendung funktioniert und genutzt wird. Aber die Anwendung ist insgesamt auch nur ein kleiner Teil der Digitalisierung. Wir müssen über neue Arbeitsorganisation, über Change Management, nachdenken. Wenn wir den Prozess ganzheitlich betrachten, dann ist die Anwendung, also die Software, nur ein Teil – aber natürlich ein wichtiger.
(...) vieles im öffentlichen Sektor erinnert oft ein wenig an die Welt vor der Digitalisierung.
Jörg NaumannWir haben eine Situation, die komplexer als bei der Dampflokomotive ist, wo es bei der Standardisierung der Schienen schnell einen Common Sense gab. Den gab es, weil ein politischer Wille da war! Aktuell überlagern zu viele Bedenken und Interessen unsere Handlungsfähigkeit – beispielsweise der Datenschutz. Da gibt es dann schnell keinen Mainstream mehr und somit auch keinen klaren politischen und gesellschaftlichen Konsens für die Digitalisierung.
Gerade Datenschutz ist ein großes Thema: Aktuell können wir nicht einmal unkompliziert Office 365 einkaufen. Nicht alle Unternehmen bieten einen Service an, der DSVGO-konform ist – bei SAP ist das beispielsweise auch im Cloudbereich möglich. Weltweit haben wir hierzu keinen Common Sense und befinden uns eher in einer Übergangsphase. In dieser Phase muss sich die anwender*innenzentrierte Digitalisierung erst entwickeln – aber das ist ein Ziel, das wir uns jetzt setzen müssen. Es gibt aber auch tolle Beispiele von Lösungen. Die Chance ist da!
Wenn wir die Digitalisierung wirklich in den Griff bekommen wollen, ist Bildung das A und O. Um ein Beispiel zu nennen: Die Digitalisierung einer Sterbefallbearbeitung. Hier kommen so viele Interessen zusammen: Gerichtsmediziner*innen, Bestatter*innen und so weiter. Um zwischen diesen Interessen zu vermitteln, brauchen wir Workshops, wir brauchen Design Thinking. Und dann müssen wir uns eine grundlegende Frage stellen: Wie können wir das unter den neuen digitalisierten Rahmenbedingungen neu denken? Und das müssen Führungskräfte auch zulassen können.
Es ist auch keine Frage des Geldes, sondern eher eine Frage des sinnvollen Einsatzes. Es gibt beispielsweise schon Bürgermeister*innen, die einfach mal machen. Die arbeiten mit Cloud-Diensten, mit agilen Methoden wie Scrum – und das funktioniert. Digitalisierung ist eben auch eine Führungsverantwortung. Da gibt es Störfaktoren, aber wenn wir ein klares Ziel, den Willen zur Veränderung und eine klare Orientierung haben, dann schaffen wir es, diese zu beseitigen.
Vor der Übernahme der Funktion bei der SAKD war Herr Naumann mit mannigfaltigen Aufgaben in unterschiedlichen Branchen als Berater, Projektleiter und in leitender Position tätig. Geeint haben diese Herausforderungen immer das Thema der Veränderung und die Rolle der daran beteiligten Menschen.
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