Interview

Manuel Galadí Enríquez

Welche Rolle spielen User Experience und Service Design beim ITZBund in den gegenwärtigen Digitalisierungsprojekten – und wie integrieren Sie diese Vorgehensweisen aktuell in die Entwicklungsprozesse?

Während das Thema Softwareergonomie in der Vergangenheit im Vergleich zur Barrierefreiheit stellenweise eine eher untergeordnete Rolle spielte, beobachten wir nun, dass Softwareergonomie in der öffentlichen Verwaltung sehr intensiv diskutiert wird. Den meisten Verantwortlichen ist inzwischen bewusst, dass Gebrauchstauglichkeit eine wesentliche Voraussetzung für Barrierefreiheit ist. Die Methodik, nach der wir beim ITZBund Software entwickeln, hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Denn neben der Öffnung der Systeme nach außen – insbesondere im Kontext des OZG – ist es für uns von zentraler Bedeutung, dass wir auch für die Kolleginnen und Kollegen qualitativ hochwertige Software entwickeln.

Dieses digitale Gesicht der BRD sollte einheitlich und konsistent sein – am Ende müssen wir also auch das visuelle Design unserer Software noch stärker in den Blick nehmen.

Manuel Galadí Enríquez
Empfehlungen für die Praxis

Gerade bei Neuentwicklungen gelingt uns das schon sehr gut: Wir entwickeln unsere Lösungskonzepte aus dem Nutzungskontext heraus und gehen dabei agil und iterativ vor. Zentrale Instrumente sind dabei die Betrachtung der Customer Journey, Personas und die enge Zusammenarbeit mit Benutzer*innengruppen; und auch Prototyping und Wireframes spielen im Rahmen der Umsetzung für uns eine wichtige Rolle. Aber auch weitere Ansätze aus dem Design Thinking kommen bei uns bereits regelmäßig zum Einsatz. Von maßgeblicher Bedeutung für unseren erfolgreichen Paradigmenwechsel war dabei einerseits ein gemeinsames Verständnis zu den Konzepten und Begrifflichkeiten in dem Themenfeld und andererseits unser klarer, gemeinsamer Fokus: Es geht um eine bestmögliche Qualität unserer Software – denn wir sind als ITZBund genau dann erfolgreich, wenn unsere Benutzer*innen zufrieden sind.

Die vielfältigen Fragestellungen im Bereich der Softwareergonomie werden uns aber auch in Zukunft noch sehr intensiv beschäftigen: Insbesondere bei bereits vor einiger Zeit eingeführten Systemen gibt es großen Nachholbedarf; hier müssen aktuell noch pragmatische Lösungen gefunden werden – bevor diese Themen sukzessive vollständig gelöst werden können. Wir müssen uns als öffentliche Verwaltung stets darüber im Klaren sein, dass unsere digitalen Softwarelösungen das digitale Gesicht der Bundesrepublik sind. Eine einfache und effektive Bedienung dieser digitalen Angebote sind die Grundlage dafür, dass die Bürger*innen und Mitarbeiter*innen unsere digitalen Angebote akzeptieren und annehmen.

Dieses digitale Gesicht der BRD sollte einheitlich und konsistent sein – am Ende müssen wir also auch das visuelle Design unserer Software noch stärker in den Blick nehmen. Bei der Darstellung nach außen gelingt uns das schon recht gut: Zum einen gibt es einheitliche Standards für die Webauftritte des Bundes, und zum anderen spielt in vielen Projekten (beispielsweise bei der ZEUS Web-Auskunft oder bei den Tech4Germany-Projekten) das visuelle Design und ein visueller Facelift eine zentrale Rolle. Unsere intern verwendeten Legacy-Systeme sind hingegen wirklich herausfordernd; die Digitalisierung geht in Deutschland in diesem Bereich noch nicht schnell genug voran. Eine mögliche Ursache ist, dass die öffentliche Verwaltung technische Probleme nicht einmal löst, sondern eher fünf, sechs oder sieben Lösungen entwickelt. Für die eAkte gibt es aktuell beispielsweise allein im Bund in drei Ressorts insgesamt fünf unterschiedliche Implementierungen.

Meine Vision ist, dass wir im Zuge der Dienstekonsolidierung die Vielfalt an Produkten reduzieren; es gibt aktuell einfach zu viele Lösungen für die typischen Standardprobleme. Dieser Fokus schafft die technische Basis dafür, dass wir die Modernisierung der internen Fachverfahren stärker in den Blick nehmen können. Beispielsweise die eAkte wäre ein sehr guter Startpunkt, um durch ein einheitliches Look-and-Feel Qualitätsstandards im Bereich Usability und User Experience zu etablieren. Darauf basierend können wir dann die nächsten, notwendigen Schritte initiieren: Denn es geht strategisch um mehr als um gut gestaltete Oberflächen – es geht um die Integration der Angebote im Sinne des Service Designs. Die Bundesverwaltung sollte bei der Lösung der Fragestellungen als Vorbild dienen, an denen sich dann auch Kommunen orientieren können. Statt strikter Vorgaben seitens des Bundes würde ich persönlich dabei dem Erfahrungsaustausch einen größeren Stellenwert beimessen – und gemeinsam Konzepte dafür entwickeln, wie es Bund und Kommunen gemeinsam gelingen kann, aktuelle Fragen (wie beispielsweise ersetzendes Scannen) im Behördenalltag nicht über zweihundertmal lösen zu müssen.

Foto von Manuel Galadí Enríquez

Diplom-Physiker und Diplom-Mathematiker (Universität Göttingen). Ab 1992: 20 Jahre Tätigkeiten in unterschiedlichen IT-Management-Rollen. Seit 2015 im ZIVIT/ITZBund als Leiter der Abteilung Projekte, Basisdienste und Querschnittsverfahren.

Manuel Galadí Enríquez
Abteilungsleiter Projekte, Basisdienste und Querschnittsverfahren
Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund)

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