Interview

Daniel Bönisch

Mit welchen Methoden haben Sie in Ihrem Referenzprojekt für die Mannheimer Stadtverwaltung die Gebrauchstauglichkeit der Plattform untersucht?

Bei unserem Webportal für die Mannheimer Stadtverwaltung handelt es sich aus verschiedenen Gründen um ein Best-Practice-Beispiel: Aufgrund des Generationenwechsels existiert in der Stadtverwaltung bereits ein fundiertes Verständnis im Themenfeld Usability und User Experience. Dadurch war es bei diesem konkreten, seit 2010 betreuten Projekt für uns als Softwaredienstleister besonders einfach, von Anfang an einen starken Fokus auf User Experience zu legen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war dabei nicht nur die Involvierung von jüngeren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, sondern auch das Schaffen der entsprechenden Freiräume im Themenfeld UUX seitens der erfahreneren Kollegen und Kolleginnen.

Meine Vision ist, dass wir zukünftig auch im öffentlichen Sektor noch deutlich umfassendere UUX-Ziele definieren und messen.

Daniel Bönisch
Empfehlungen für die Praxis

Die Wege zu besserer Gebrauchstauglichkeit (Usability) im öffentlichen Sektor sind dabei vielfältig. Im Rahmen der konkreten Ausschreibung in Mannheim haben wir damals beispielsweise in unserem Pitch das von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Navigationsdesign zunächst recht grundlegend infrage gestellt. Die Stadtverwaltung fokussierte sich nach unserer Wahrnehmung noch zu stark auf die Abbildung einer Verwaltungssicht. Unser Konzept enthielt daher Ideen, wie die Perspektive der Bürger*innen stärkere Berücksichtigung finden könnte – denn deren Bedarfswelten müssen durch ein erfolgreiches Webportal einer Stadtverwaltung adressiert werden. Das war damals durchaus ein recht mutiger Schritt, der sich jedoch ausgezahlt hat: Wir konnten Stadtverwaltung und den damaligen Oberbürgermeister gleichermaßen von unserem Ansatz überzeugen – und so in Mannheim den erforderlichen Paradigmenwechsel einleiten.

Neben vielen Gesprächen mit den einzelnen Fachabteilungen und der Neuordnung der angebotenen Services haben wir dort auch einen bürger*innenzentrierten Prozess etabliert: Wir haben die Endanwender*innen ins Zentrum gestellt, einen besonderen Schwerpunkt auf eine umfassende Analyse des Nutzungskontextes gelegt und vor der eigentlichen Ausgestaltung viel Zeit in die Konzeption investiert. In Mannheim waren wir dabei für das Gesamtpaket, d. h. die Konzeption, die Gestaltung und die Realisierung verantwortlich. Andere öffentliche Verwaltungen binden für diese drei Themenfelder hingegen durchaus auch einmal drei unterschiedliche Dienstleister ein. Beides ist grundsätzlich denkbar; in letzterem Fall ist für den Projekterfolg eine möglichst präzise Definition der jeweiligen Schnittstellen essenziell.

Doch nun zur Frage nach der Messung der Usability: Für uns als Agentur ist die Messung der User Experience durchaus mit Herausforderungen verbunden. Einerseits erfordert die Messung der Verbesserungen stets eine fundierte Datenlage zum Status quo; dieser beschränkt sich nicht nur auf Web Analytics, sondern umfasst – je nach konkreter Zielsetzung – auch andere Bereiche (beispielsweise die Gesamtzahl an täglichen Nachfragen seitens der Bürger*innen via Telefon). In chronisch unterbesetzten Stadtverwaltungen ist der Aufwand für derartige Erfolgsmessungen aktuell häufig nur schwer darstellbar. Darüber hinaus sind kommunale IT-Projekte häufig zeitlich beschränkt, was das kontinuierliche Monitoring und die permanente Optimierung der User Experience zusätzlich erschwert. Wir greifen daher im Moment auf eher niederschwellige und mit überschaubarem Aufwand realisierbare Konzepte zurück: UUX-Expert*innen analysieren bei uns systematisch das via Kontaktformular eingehende Feedback, und wir versuchen, eine dauerhafte Zusammenarbeit mit den Kommunen zu etablieren – so können wir die UUX der Webportale kontinuierlich optimieren.

Meine Vision ist, dass wir zukünftig auch im öffentlichen Sektor noch deutlich umfassendere UUX-Ziele definieren und messen. Wenn beispielsweise Stadtverwaltungen langfristiger denken, lässt sich die Prüfung der Zielerreichung als dauerhafter Erfolgsmesser etablieren. Denn eines ist im Themenfeld UUX ganz klar: Wir dürfen uns als Dienstleister nicht auf unseren Erfolgen ausruhen, die Anforderungen der Bürger*innen an einen kommunalen Service entwickeln sich permanent weiter. Sowohl der Kulturwandel als auch der Generationenwechsel in den Stadtverwaltungen werden diese Effekte noch verstärken; durch diese neue Agilität wird der öffentliche Sektor gleichzeitig auch für junge, motivierte und engagierte Kolleg*innen wieder deutlich attraktiver.

Foto von Daniel Bönisch

Gemeinsam mit Dr. Boris Stepanow gründete Daniel Bönisch im Jahr 1996 die Digitalagentur UEBERBIT. Beide leiten das Technologie- und Beratungsunternehmen bis heute. UEBERBIT begleitet Unternehmen verschiedener Branchen und Organisationen des öffentlichen Sektors auf ihrem Weg der Digitalisierung.

Daniel Bönisch
Geschäftsführender Gesellschafter
UEBERBIT GmbH

Den Praxisleitfaden kaufen

Den Praxisleitfaden erhalten Sie überall dort, wo es gute Bücher gibt

Screenshot von Praxisleitfaden zu menschzentrierter Digitalisierung
Menschzentrierte Digitalisierung

Praxisleitfaden kaufen

Den Praxisleitfaden erhalten Sie überall dort, wo es gute Bücher gibt. Alternativ können Sie das Buch auch direkt beim Verlag bestellen.

Praxisleitfaden bestellen

Unser Praxisleitfaden

Menschzentrierte Digitalisierung

line
Prof. Dr. Simon Nestler

Persönliche Mitgliedschaften

line
Nestler UUX Consulting GmbH

Mitgliedschaften

line