Was sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass Design Thinking Workshops zu einer nachhaltigen Veränderung des Behördenalltages führen?
Design Thinking ist nicht nur ein Workshop, sondern erst mal eine neue Denkweise, die implementiert werden muss. Man läuft immer auch Gefahr, dass eher eine Art Innovationstheater inszeniert wird. Wenn wir Design Thinking sinnvoll nutzen wollen, dann brauchen wir hierfür echte Probleme und echte Ziele – ansonsten können wir uns den Aufwand sparen.
Die menschzentrierte Denkweise minimiert das Risiko des Scheiterns.
Naira DanielyanDas föderale System in Deutschland bringt dabei natürlich eine ganz eigene Komplexität mit sich. Wir sind schließlich kein kleines und zentral organisiertes Land wie Estland. Die Herausforderungen, aber auch die Frustration, die sich aus dem Föderalismus ergeben können, müssen wir ernst nehmen, aber wir werden die Struktur nicht ändern und somit annehmen müssen. Und dafür dürfen wir nicht nur auf die Bundesebene schauen, sondern müssen die Denkweise in die Breite der Verwaltung tragen.
Die menschzentrierte Denkweise minimiert das Risiko des Scheiterns: Durch diesen Ansatz können wir ausschließen, dass Projekte ungetestet auf einer grünen Wiese entstehen. Bisher werden Projekte einfach umgesetzt – und wenn diese nicht funktionieren, dann ist viel Geld verschwendet worden. Agenturen starten mit der Umsetzung, bevor überhaupt eindeutig klar ist, welches Problem gelöst werden soll. Ich plädiere dafür, nicht direkt mit der technischen Umsetzung zu starten, sondern mit Papierprototypen und Klick-Dummys Ideen zu testen. Wir müssen aus Fehlern lernen! Es wird immer versucht, Fehler zu vermeiden, aber genau dadurch entstehen dann welche. Wir brauchen eine Fehlerkultur und damit auch kontrollierte Fehler, aus denen wir lernen können!
Das ist zum Glück für jüngere Generationen eine unvorstellbare Arbeitsweise, weshalb allein durch den Generationswechsel ein Umdenken stattfinden wird. Erfreulicherweise ist aktuell immerhin schon das Verständnis vorhanden, dass tatsächlich derzeit viele Fehler gemacht werden – auch weil so viele Menschen die Prozesse in der öffentlichen Verwaltung beobachten. Wir brauchen an dem Punkt auch keine Evaluationen der Fehlschläge durch Berater*innen. Das Geld und die Energie sollten wir lieber nutzen, um zum Ziel zu kommen.
Und dafür müssen wir, um das zusammenzufassen, Entscheider*innen mitnehmen. Wir müssen den Nutzen von kontrollierten Risiken vermitteln. Gleichzeitig dürfen wir nicht weiter in rein homogenen Teams arbeiten. Gerade die etablierte Unterscheidung zwischen Jurist*innen und Nichtjurist*innen muss aufgehoben werden. Und natürlich kann es dann wichtig sein, auch generell neue Rollen und Berufsbilder in solche Prozesse zu integrieren: Aktuell lässt sich in Deutschland die Zahl der User Experience Designer*innen und Design Thinker in Ministerien noch an einer Hand abzählen.
Naira Danielyan, ist Geschäftsführerin und Gründerin der Innovationsberatung gravity&storm. Sie berät und coacht Führungskräfte sowohl in der Öffentlicher Verwaltung, als auch in der Wissenschaft und Industrie. Vor der Gründung arbeite sie viele Jahre IN und FÜR die Öffentliche Verwaltung.
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