Interview

Yves Koscholleck

Wie können die Ansätze des klassischen Prozessmanagements in der Praxis durch neue Konzepte – wie beispielsweise dem User Experience und Service Design – erweitert und ergänzt werden?

Das Thema Prozessmanagement ist in der öffentlichen Verwaltung unterschiedlich weit verbreitet – teilweise steckt es noch in den Kinderschuhen. Das liegt sicherlich auch an der teilweise angespannten Personalsituation. Im Hintergrund ist das Thema Wissensmanagement von großer Relevanz: Wie laufen die Prozesse? Wie sind die Abläufe? Wie sind die Prozessdarstellungen? Ich verantworte das Thema Geschäftsprozessmanagement seit ungefähr zehn Jahren – und manches ist immer noch im Aufbau. Aber wir haben Grundlagen geschaffen. Wir haben das Thema in der Aus- und Fortbildung etabliert, wir haben Rahmenverträge geschlossen, es gibt ein zentrales Budget für die Unterstützung von Projekten, wir führen Tagungen und Netzwerktreffen durch und wir stellen für alle staatlichen Behörden und Einrichtungen die Prozessplattform Sachsen als zentrale Modellierungskomponente zur Verfügung.

(...) für das Thema Usability haben wir keinen standardisierten Ansatz für eine Messung oder Evaluation.

Yves Koscholleck
Empfehlungen für die Praxis

Das sächsische E-Governmentgesetz schreibt den staatlichen Behörden vor, dass Verwaltungsabläufe, die erstmals zu wesentlichen Teilen elektronisch unterstützt oder wesentlich geändert werden, vor Einführung der informationstechnischen Systeme dokumentiert, analysiert und optimiert werden sollen. Denn: Digitalisierter Unsinn bleibt Unsinn! Und wir müssen natürlich Dinge hinterfragen: Warum muss denn irgendwo ein*e Präsident*in einer Behörde etwas dreimal gegenzeichnen? Und jedes Mal bleibt es drei Wochen liegen.

Wir haben eine Vielzahl von Projekten durchgeführt, in denen die Untersuchung der Geschäftsprozesse im Mittelpunkt stand. Da gab es beispielsweise ein Verfahren im Kontext des Bauens, bei dem uns berichtet wurde, dass die Kollegen und Kolleginnen ständig die falschen Dinge geschickt bekommen, die dann beanstandet werden müssen. Da war unsere simple Empfehlung, einen Leitfaden zu erstellen. Größtenteils enden solche Untersuchungen auch mit einer Digitalisierungsempfehlung. Wir betrachten aber immer den gesamten Prozess. Und manchmal – und dann sind wir bei der Thematik UUX – ist es im Prozess wichtig, nicht das 08/15-Formular auf die Antragsteller*innen loszulassen, weil es die Funktion des Prozesses unterstützt. Da haben wir dann auch mit zwei, drei durchschnittlichen Benutzer*innen Prototypen testen lassen.

Das OZG ist natürlich ein maßgeblicher Treiber für die Digitalisierung. Hier sind die relevanten Prozesse aufgelistet, die digitalisiert werden müssen, aber der Berg ist so groß, dass der zeitliche Rahmen bis Ende 2022 nicht ausreichen wird. Aber wir haben auch unabhängig davon Projekte gestartet – wir haben beispielsweise auf der kommunalen Ebene gemeinsam mit den Landkreisen ein zentrales Prozessregister aufgebaut. Hier werden alle Prozesse in Form eines Steckbriefes erfasst – es lassen sich Fallzahlen etc. ablesen und im Kontext einer Digitalisierung auswerten. Natürlich lässt sich auch überprüfen, ob die Prozesse OZG-relvant sind. Und darüber lässt sich eine Digitalisierung priorisieren.

Ob unsere Prozesse insgesamt effektiv sind, kann ich nicht beantworten, da wir nur sehr begrenzte Ressourcen für die Messung dieser Effektivität haben. Auch für das Thema Usability haben wir keinen standardisierten Ansatz für eine Messung oder Evaluation. Teilweise schränken aber sowieso die rechtlichen Rahmenbedingungen die Freiheit so extrem ein, dass der Prozess und die Usability gar nicht verbessert werden können. Manche Prozesse sind aus rechtlichen Gründen wirklich komplex. Da wird dann lieber ein Assistent zum Ausfüllen eines Formulars programmiert, anstatt das Formular zu verbessern. Wenn wir von Digitalisierung sprechen, dann lässt sich sagen: Es gibt kein einfaches Verwaltungsverfahren. Teilweise muss da leider auch fast schon von Unwillen gesprochen werden: Es gibt Barrieren, die nur in den Köpfen der Beteiligten existieren. Da wird dann bei einer Hundesteueranmeldung auf eine Unterschrift bestanden, obwohl vermutlich noch nie jemand so eine Unterschrift tatsächlich bei einem eingeforderten persönlichen Termin mit einem Personalausweis abgeglichen hat.

Foto von Yves Koscholleck

Hr. Koscholleck ist Koordinator für Prozessmanagement und in dieser Funktion zentrale Steuerungsstelle für Prozessmanagementthemen in der Landesverwaltung. Zu den Kernaufgaben zählen die Begleitung einer Vielzahl von Prozessmanagement- bzw. E-Governmentprojekten von der Konzeption bis zur Umsetzung.

Yves Koscholleck
Koordinator für Prozessmanagement
Sächsische Staatskanzlei

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