Interview

Rolf Sahre

Welche Art von Kooperationen sind im Themenfeld Usability und User Experience erforderlich, um Bürger*innen menschzentrierte Verwaltungsdienstleistungen anbieten zu können?

Zunächst einmal ist es vermutlich erklärungsbedürftig, warum in diesem Themenfeld überhaupt dringend mehr Kooperationen benötigt werden: Wir erleben gegenwärtig, dass die OZG-Umsetzung sowohl in Behörden als auch in Unternehmen zu großen Herausforderungen führt. Mit den im Rahmen der Umsetzung zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ist es nun im ersten Schritt gelungen, sowohl größere als auch kleinere IT-Dienstleister im Rahmen der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung einzubinden. Doch auch abseits dieser Auftragsverhältnisse sind Kooperationen aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft essenziell: Denn nur so wird es uns gelingen, auch den ländlichen Raum, also die Vielzahl an kleineren Kommunen und die Landkreise, entsprechend zu berücksichtigen – unsere Ansätze also in die Fläche zu tragen.

Digitalisierung ist nicht das Ziel – Digitalisierung ist der Weg.

Rolf Sahre
Empfehlungen für die Praxis

Da inzwischen die ersten Blaupausen für die zentralen Dienste bereitstehen, können die umfangreicheren Arbeiten beginnen: Nun müssen die Kommunen diese Dienste in ihre internen Verwaltungsabläufe integrieren. Nun muss neben der Zugänglichkeit nach außen auch die Nutzbarkeit nach innen in den Fokus rücken. Neben den Bürger*innen müssen auch die Mitarbeiter*innen stärker in den Fokus rücken. Denn nach unserer Beobachtung gibt es aktuell innerhalb der Behörden noch eine Vielzahl an papierbasierten Verfahren; es gibt sogar noch Verfahren, die aktuell nicht nach einem klar definierten Prozess ablaufen. Wie gut diese Integration in der Praxis gelingt, hängt daher stark von den konkreten kommunalen Gegebenheiten ab. Die Komplexität ist bei über 300 kommunalen Fachverfahren und mehreren verschiedenen Fachverfahren je Dienstleister dabei nicht zu unterschätzen.

Um im Themenfeld Usability und User Experience Fortschritte erzielen zu können, kommt der Vereinheitlichung der Interfaces eine zentrale Rolle zu. Das kann nur gelingen, wenn wir den konkreten Fachdienst, beispielsweise eine Berechnung von Wohngeld, Reisekosten oder Kindergeld, von dem in der Behörde stattfindenden Workflow trennen. Der Workflow wiederum ist klar von der elektronischen Aktenführung, der eAkte, zu trennen. Der Gegentrend – der sich im Moment ebenfalls beobachten lässt – ist die Verwässerung der eAkte; es entsteht hier aktuell an einigen Stellen das Bedürfnis, die Akten um eine Fachlichkeit zu erweitern und beispielsweise Vergabeakten und Personalakten zu entwickeln. Dies wirkt einer Trennung der Zuständigkeiten nach meiner Wahrnehmung entgegen und erschwert die Vereinheitlichung und Integration der behördlichen User Interfaces.

Gleichzeitig verändert sich durch die UUX Perspektive auch die Sicht auf die Rolle der Digitalisierung als Ganzes: Digitalisierung ist nicht das Ziel – Digitalisierung ist der Weg. Denn wenn wir in einer alternden Gesellschaft auch zukünftig eine leistungsfähige Verwaltung haben möchten, dann lautet das Ziel: Automatisierung. Digitale Tools sind relativ schlecht dafür geeignet, damit die alten, papierbasierten Prozesse 1:1 abzubilden; wenn öffentliche Verwaltungen an den bisherigen Prozessen festhalten möchten, sollten sie dafür auch weiterhin Papier verwenden. Papier ist flexibel und bietet durchaus Vorteile; ein guter analoger Prozess ist besser als dessen unzulängliche Digitalisierung. Am Beispiel der gegenwärtigen Lösungen im Bereich der eAkte wird deutlich, in welchen Modellen die Anbieter denken: Hier finden sich am Markt aktuell smarte und nicht ganz so smarte Ansätze.

Meine Vision ist, dass wir für diese Neugestaltung und Vereinheitlichung der Workflows die Kompetenzen aus der kommunalen Verwaltung, den kommunalen Digitalisierungspartnern, den mittelständischen Unternehmen sowie der Wissenschaft bündeln. Ähnliche Forschungsverbünde, wie sie gegenwärtig beispielsweise im Bereich der Projekte zu Smart City existieren, brauchen wir zukünftig auch für die Standardisierung der Fachverfahren.

Foto von Rolf Sahre

Rolf Sahre ist seit 2000 bei der MACH AG und seit 2013 Vorstandsvorsitzender des Software- und Beratungsunternehmens. Der Diplomkaufmann verantwortet den Bereich Märkte und damit die Geschäftsfelder sowie Marketing und Kommunikation. Seine Mission: Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.

Rolf Sahre
Vorstandsvorsitzender
MACH AG

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