Interview

Juliane Krieg

Wie ist die Entwicklungsphase zu Usability und Design bei dem von Ihnen begleiteten Online-Antragsverfahren zur Anmeldung von Hunden konkret abgelaufen?

Das von Ihnen erwähnte Verfahren zur Anmeldung von Hunden war für uns primär ein Testballon, um unseren im Freistaat Sachsen entwickelten OZG-Prozess zu evaluieren. Dabei ging es im Kern darum, ein Prinzip bzw. Konzept zu entwickeln, um möglichst schnell standardisierte Verfahren entwickeln zu können. Das zentrale Ergebnis aus diesem Projekt ist also nicht nur der Online-Antrag zur Hundesteuer selbst, sondern vor allem der durch dieses Projekt praxisevaluierte Leitfaden. Der zentrale Ansatz im Freistaat Sachsen ist, dass die Ausarbeitung der entsprechenden Verfahren innerhalb von Werkstätten erfolgt.

Unsere Vision ist, dass wir im Rahmen der OZG-Umsetzung nicht einfach nur ein Online-Formular für die Antragsteller*innen zur Verfügung stellen.

Juliane Krieg
Empfehlungen für die Praxis

Jedes unserer Projekte startet dabei immer mit einer umfassenden Analyse der umzusetzenden Leistung. Dabei geht es in dieser ersten Phase insbesondere darum, die rechtlichen Hintergründe so vollumfänglich wie möglich zu erfassen. Bereits ab der zweiten Phase werden dann die Experten und Expertinnen aus den Kommunen in den Prozess eingebunden. Hier wird ein recht breites Spektrum an Fragestellungen adressiert: Welche Daten sind zu erheben? Welche Szenarien können auftreten? Welche Anträge sind besonders häufig? Welche vergleichsweise seltenen Sonderfälle müssen berücksichtigt werden? All das verwenden wir dann für die Ableitung von Personas und Test-Szenarien.

Aus Usability-Perspektive gibt es bei dem aktuell praktizierten Ansatz eine Herausforderung: Für Experten und Expertinnen ist es nicht ganz so leicht, die Perspektive von einfachen Antragstellern und Antragstellerinnen einzunehmen. Natürlich sind alle Menschen, die sich inhaltlich in unsere Werkstätten einbringen, immer auch Bürger*innen und Vertreter*innen oder Mitglieder von Organisationen. Aber solange wir uns nur im Kreise der Experten und Expertinnen bewegen, erhalten wir kein repräsentatives Bild unserer Antragsteller*innen. Daher ist es für uns wichtig, die Ideen in den Werkstätten anzustoßen und iterativ zu validieren – aber die Konzepte selbst werden bei uns in der Regel ein Stück weit losgelöst von diesen Werkstätten und unter Verwendung von zentralen Hilfsmitteln, wie unserem Styleguide zur Erstellung von Online-Formularen, entworfen. Noch besser wäre es, zusätzlich zu Experten und Expertinnen auch die Antragsteller*innen noch stärker einzubinden. Insbesondere bei der Validierung (im Rahmen der Usability-Tests) ist das bei uns gerade am Entstehen.

Bei diesen Usability-Tests hat es sich für uns bewährt, diese mit einem Tandem aus Fachexperte und Expertin und Moderator*in durchzuführen. Einen besonders fundierten Einblick in die Probleme und Barrieren erhalten wir dabei durch die Methode des Lauten Denkens. Interaktionszeiten messen wir ebenfalls – und standardisierte Fragebögen nutzen wir, um die fachliche Vorerfahrung zu erheben. Gegenwärtig führen wir diese Tests mit unseren internen Ressourcen durch; wir haben bei uns erfreulicherweise einige Mitarbeiter*innen, die sich autodidaktisch inzwischen bereits recht gut in das Themenfeld eingearbeitet haben. Mit externen Agenturen oder UUX-Experten und Expertinnen arbeiten wir daher bisher noch nicht zusammen.

Besonders wichtig für das Themenfeld Usability und Design sind für uns die Tests – diese werden in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Dabei gibt es im öffentlichen Sektor ganz unterschiedliche Tests: Einerseits muss im Rahmen von technischen Tests zunächst geprüft werden, ob alles so funktioniert, wie es soll. Im zweiten Schritt wird im Rahmen einer Pilotphase üblicherweise mit einer kleinen Menge an Kommunen das Verfahren auf die Praxistauglichkeit getestet. Erst in der Pilotphase zeigt sich dann, ob die Lösung sich in die internen Prozesse integrieren lässt. In Zukunft wäre es wünschenswert, in diesen beiden Phasen systematisch auch die Aspekte Usability und Design noch stärker zu berücksichtigen, um mit den daraus gewonnenen übergreifenden Erkenntnissen regelmäßig unsere zentralen Hilfsmittel erweitern und anpassen zu können.

Unsere Vision ist, dass wir im Rahmen der OZG-Umsetzung nicht einfach nur ein Online-Formular für die Antragsteller*innen zur Verfügung stellen. Der Erfolg des Onlinezugangsgesetzes wird ganz maßgeblich davon abhängen, wie einfach und verständlich der digitale Zugang zu den Verwaltungen gestaltet wird und vor allem, wie gut uns die Integration in die Systeme der Kommunen gelingt. Dabei stellt sich ganz praktisch die Frage, wie weit diese Integration vorangetrieben werden soll – denken wir in Richtung einer vollständigen Integration in alle Fachverfahren, oder fokussieren wir uns auf standardisierte XML-Dateien?

Foto von Juliane Krieg

Seit 2019 unterstützt Frau Krieg die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes im Freistaat Sachsen. Im Rahmen dieser Tätigkeiten für die Komm24 GmbH engagiert sie sich für einen einfachen und umfassenden digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen für Bürger*innen und Vertreter*innen von Unternehmen.

Juliane Krieg
Anwendungsberaterin
Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Sachsen KöR

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