Sieben Fragen zu menschzentrierter Digitalisierung

Fedor Ruhose

Anhand welcher Aktivitäten wird besonders gut deutlich, dass die Menschzentrierung von digitalen Services in Ihrem Bundesland immer wichtiger wird?

Der digitale Wandel hat längst auch in der öffentlichen Verwaltung Einzug gehalten. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass eine gute und schnelle Umsetzung von Verwaltungsangeboten ins Digitale funktioniert. Diese Dynamik müssen wir uns jetzt weiter zunutze machen. Wichtig ist, dass vorhandene Verwaltungsprozesse nicht 1:1 ins Digitale übertragen werden. Die Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen muss dazu genutzt werden, Schwachstellen bestehender Verwaltungsabläufe aufzuzeigen. Ziel der Verwaltungsdigitalisierung muss es sein, dass Anträge und Genehmigungen in Zukunft schneller, effizienter und – sofern möglich – automatisiert abgewickelt werden können. Zu berücksichtigen sind dabei die individuellen Fähigkeiten der Menschen. Die digitale Transformation der Verwaltung führt dann zum Erfolg für alle, wenn wir technologische Innovation mit menschlicher Dienstleistung verbinden. Der digitale Staat muss sowohl dem Poweruser in der Wirtschaft als auch dem Gelegenheitsnutzer in der Gemeinde ein passendes Angebot unterbreiten.

Die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wurde durch die Digitalisierung auf ein neues Level gehoben – insbesondere beim Bürger*innenservice.

Fedor Ruhose

Welche Voraussetzungen sind in den öffentlichen Verwaltungen erforderlich, damit die Bedürfnisse der Bürger*innen und der Verwaltungsmitarbeiter*innen bei der Entwicklung von digitalen Services noch besser berücksichtigt werden können?

Die digitale Transformation der Verwaltung wird nur dann gelingen, wenn sie von einem Kulturwandel in den Ämtern und Behörden begleitet wird. Für die Akzeptanz und die Nutzung digitaler Services durch Bürger*innen ist die Qualität der digitalen Services entscheidend. Neben dem digitalen Verwaltungsangebot ist deshalb die Qualifizierung der Verwaltungsmitarbeiter*innen von zentraler Bedeutung. Um Verwaltungsangestellte im digitalen Wandel zu begleiten, werden gezielte Fort- und Weiterbildungsangebote benötigt. Für das Vertrauen in digitale Lösungen im öffentlichen Sektor spielen zudem die Datensicherheit und der Datenschutz eine zentrale Rolle.

In welchen Bereichen und Themenfeldern ist eine menschzentrierte digitale Transformation im öffentlichen Sektor aktuell noch nicht in der Form möglich wie Sie sich das wünschen würden?

Das Aufgabenspektrum öffentlicher Verwaltungen ist sehr komplex. In vielen Bereichen und Themenfeldern des öffentlichen Sektors besteht Verbesserungs- und Optimierungspotential. Ein funktionierendes Beispiel ist das Einreichen von Steuererklärungen über Elster. Wünschenswert ist, dass jede Verwaltungsleistung in diesem Sinne digital abläuft. Das heißt, eine Software überprüft die Eingaben direkt auf Plausibilität. Dies wäre für viele Bürger*innen eine große Hilfestellung. Künstliche Intelligenz könnte Sachbearbeitende der öffentlichen Verwaltungen unterstützen, zum Beispiel einen Part des Vier-Augen-Prinzips übernehmen. Damit hätte der entlastete Mitarbeitende mehr Kapazität für andere Aufgaben zur Verfügung. Der Einsatz digitaler Services kann Mitarbeiter*innen dabei unterstützen, Wissen zu sichern und Routineaufgaben zu erledigen. Daher bietet ein vermehrter Einsatz von digitalen Services viele Vorteile, nicht nur für die öffentlichen Verwaltungen an sich, sondern auch für Bürger*innen und Unternehmen.

In welche Themenfelder sollten die Kommunen die 3 Milliarden für die Digitalisierung aus Ihrer Sicht vorrangig investieren?

Im Rahmen der Verabschiedung des Konjunkturpakets im Sommer 2020 wurde für die Umsetzung des OZG eine finanzielle Unterstützung in Höhe von drei Milliarden Euro bewilligt. Diese Fördermittel wurden aufgeteilt in ca. 1,5 Mrd. Euro Finanzhilfen für die 14 Themenfelder und deren Umsetzungsprojekte und in ca. 1,5 Mrd. Euro Finanzhilfen für die zentrale Infrastruktur. Die Finanzmittel stehen bis Ende 2022 zur Verfügung, sie müssen daher in diesen Umsetzungsprojekten verwendet werden, an denen die Kommunen partizipieren. Unmittelbar daran anschließen muss sich jedoch die Frage, wie in Deutschland die Digitalisierung der Verwaltung in Zukunft finanziell sichergestellt werden kann. Hier sind alle Ebenen zusammen gefordert – Bund, Länder und Kommunen.

Wie verändern sich durch den Wechsel von vor Ort installierten Softwarelösungen zu Clouddienstleistungen die Anforderungen an das Themenfeld Usability, User Experience und Barrierefreiheit?

Im Kern werden sich die Anforderungen an die UUX nicht wesentlich ändern, da es – egal ob On Premise Lösung oder Cloud-Service – weiterhin das Ziel sein wird, den Benutzer*innen eine Lösung zu bieten, mit der ihre Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend erreicht werden können. Jedoch entstehen natürlich neue Potenziale, insbesondere durch die Möglichkeit, verschiedene Services miteinander zu verknüpfen. Mit den zunehmenden Möglichkeiten durch Cloud-Services nehmen auch die Erwartungen der Benutzer*innen zu. Unsere Systeme werden sich entsprechend anpassen müssen. Zudem müssen die Anforderungen an die Barrierefreiheit entsprechend optimiert werden. Generell muss gelten, dass allen Menschen die Möglichkeiten gleichermaßen eröffnet werden müssen.

Was sind - Stand heute - in den öffentlichen Verwaltungen Ihres Bundeslandes die wichtigsten Einsatzbereiche für UUX Expert*innen?

In der Interaktion der Bürger*innen und Unternehmen mit der öffentlichen Verwaltung und den dabei eingesetzten Softwareprodukten kommt UUX Professionals eine zunehmende Bedeutung zu. Es reicht nicht, Leistungen digital anzubieten, wenn sie langfristig genutzt werden sollen. Sie müssen die Benutzer*innen überzeugen und für jede*n zugänglich sein. Beim Kauf entsprechender Produkte muss daher auf diesen Aspekt ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Aber auch der Bereich innerhalb der öffentlichen Verwaltung muss berücksichtigt werden. Die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung befindet sich durch die Digitalisierung in einem großen Wandel. Auch hier gilt es, diese Aspekte zu berücksichtigen, um auch die internen Prozesse und den Arbeitsplatz selbst zielführend zu gestalten.

Was ist Ihre persönliche Vision für die Öffentliche Verwaltung 2030?

Im Jahr 2030 sind die Anmeldung eines neuen Wohnsitzes, die Zulassung eines neuen Autos oder die Beantragung von staatlichen Unterstützungsleistungen so einfach, schnell und sicher wie Online-Shopping oder digitale Bankgeschäfte. Das Digitale Amt ist auf jedem Smartphone installiert. Behördengänge lassen sich auf diese Weise bequem auf dem mobilen Endgerät erledigen – auf dem Weg zur Arbeit oder auch nach Feierabend. Personalausweis, Führerschein und elektronische Patient*innenakten sind schon längst auch digital immer dabei. Automatisierung, Künstliche Intelligenz und User Experience haben die öffentliche Verwaltung nicht nur effizienter und schneller, sondern aus Sicht der Bürger*innen vor allem besser gemacht. Die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wurde durch die Digitalisierung auf ein neues Level gehoben – insbesondere beim Bürger*innenservice. Alle sprechen von einem erfolgreichen Kulturwandel: Durch die Verbindung von technologischer Innovation mit menschlicher Dienstleistung ist es gelungen, dass alle an der digitalen Transformation teilhaben. Der Behördengang ist auch in der digitalen Verwaltungswelt kein Auslaufmodell, hat aber durch digitale Lösungen ein zeitgemäßes Update erhalten. Die Vorteile der digitalen Bereitstellung und Bearbeitung führen zu einer Überprüfung und Verbesserung vieler Verwaltungsabläufe.

Foto von Fedor Ruhose

Fedor Ruhose ist Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz. Er ist Beauftragter des Landes für Informationstechnik und Digitalisierung (CIO/CDO).

Fedor Ruhose
CIO und Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung
Land Rheinland-Pfalz

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