Sieben Fragen zu menschzentrierter Digitalisierung

Thomas Popp

Anhand welcher Aktivitäten wird besonders gut deutlich, dass die Menschzentrierung von digitalen Services in Ihrem Bundesland immer wichtiger wird?

Digitalisierung ist eines der großen Veränderungsprojekte. Vornehmlich die OZG-Umsetzung zeigt, dass eben nicht nur neue technische Komponenten eingeführt werden, sondern auch Arbeitsroutinen sich grundlegend ändern (müssen). Bedienstete der Verwaltung haben ihre analogen Prozessschritte verinnerlicht und müssen sich nun Schritt für Schritt auf immer mehr digitale Werkzeuge umstellen. Wichtig ist dabei, dass eben nicht nur einzelne technische Komponenten separat umgesetzt werden. Der gesamte digitale Arbeitsprozess muss dahingehend geprüft werden, dass er nicht mehr Aufwand verursacht. Eine gute Konzeption des digitalen Soll-Prozesses stellt sich deshalb als Fundament einer erfolgreichen digitalen Transformation dar. Digitale Insellösungen mit engagierten Vorreiterinnen und Vorreitern sind ein guter Beginn. Ganzheitliche menschzentrierte digitale Transformation erfordert jedoch, alle Beteiligten und Betroffenen einzubeziehen: Führungskräfte, Bedienstete sowie Kundinnen und Kunden. Ein gutes Veränderungsmanagement, digitaler Kompetenzaufbau und fortwährende Kommunikation sind mindestens genauso bedeutend wie gute digitale (Software-)Produkte.

Der gesamte digitale Arbeitsprozess muss dahingehend geprüft werden, dass er nicht mehr Aufwand verursacht.

Thomas Popp

Welche Voraussetzungen sind in den öffentlichen Verwaltungen erforderlich, damit die Bedürfnisse der Bürger*innen und der Verwaltungsmitarbeiter*innen bei der Entwicklung von digitalen Services noch besser berücksichtigt werden können?

Es sollte nicht nur berücksichtigt werden, was technisch möglich ist. Ebenso wichtig ist, dass digitale Services so konzipiert werden, dass sie dem intuitiven Verhalten von Menschen und deren gelernten Verhaltensweisen entsprechen. Eine intelligente Menüführung, gut erklärende Schritt-für-Schritt-Anweisungen und Ausfüllhilfen für digitale Formulare sollten jederzeit zur Verfügung stehen. Eine einfache und gut verständliche Sprache, die möglichst kein Verwaltungsdeutsch enthält, stellt Grundvoraussetzung dar. Die öffentliche Verwaltung geht oft fälschlicherweise davon aus, dass Bürgerinnen und Bürger alle Rechtsgrundlagen und Zusammenhänge kennen, wenn sie ihre Anliegen formulieren. Erfolgreiche digitale Services zeichnen sich durch eine Symbiose von Bedienkomfort (Gewohnheit aus den Angeboten der Wirtschaft) und Rechtssicherheit (Grundanspruch an die Tätigkeit der Verwaltung) aus.

In welchen Bereichen und Themenfeldern ist eine menschzentrierte digitale Transformation im öffentlichen Sektor aktuell noch nicht in der Form möglich wie Sie sich das wünschen würden?

Zu häufig fokussieren sich Modernisierungsversuche lediglich auf die technische Komponente. Benutzerinnen und Benutzer sollen eine neue Software oder ein technisches Gerät möglichst fehlerfrei bedienen können und die Funktionalitäten kennen. Wenig bzw. gar kein Aufwand wird investiert, um Verständnis dafür herzustellen, warum die digitale Transformation notwendig ist. Oft wird eine (digitale) Veränderung nur angekündigt und ohne begleitende Kommunikation umgesetzt. Eine gute (interne) Kommunikationskultur hilft, die Akzeptanz für die Veränderungen zu erhöhen. Das kostet zwar Zeit, baut aber Verunsicherungen ab und fördert die Bereitschaft, den Prozess proaktiv mitzugestalten. Ein gutes Veränderungsmanagement gehört folglich zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation.

In welche Themenfelder sollten die Kommunen die 3 Milliarden für die Digitalisierung aus Ihrer Sicht vorrangig investieren?

Die Mittel aus dem Konjunkturpaket sollen für eine zielgerichtete OZG-Umsetzung verwendet werden. Dafür muss Ebenen übergreifend in Bund, Ländern und Kommunen kooperiert werden. Effekte und Mehrwert in der Fläche erzielen wir nur, wenn wir uns auf bestimmte Rahmenbedingungen einigen und gemeinschaftlich Lösungen umsetzen. Dafür steht exemplarisch das sogenannte EfA-Prinzip (Einer für Alle). Es hilft uns dabei, die verfügbaren Ressourcen nachhaltig und zum Nutzen Vieler zu investieren. Eine erfolgreich entwickelte Lösung aus einem anderen Bundesland können wir selbstverständlich auch in Sachsen nachnutzen. Insbesondere weil wir künftig die digitale Option immer mit bedenken müssen, sollten wir von den Erfahrungen anderer lernen und gute Lösungen übernehmen.

Wie verändern sich durch den Wechsel von vor Ort installierten Softwarelösungen zu Clouddienstleistungen die Anforderungen an das Themenfeld Usability, User Experience und Barrierefreiheit?

Dazu kann ich leider keine näheren Angaben machen.

Was sind - Stand heute - in den öffentlichen Verwaltungen Ihres Bundeslandes die wichtigsten Einsatzbereiche für UUX Expert*innen?

UUX Professionals werden bisher einzelfallbezogen innerhalb der jeweiligen Komponentenentwicklung, wie beispielsweise der Verfahrensentwicklung, beim Serviceportal Amt24 und bei der Implementierung des Open Data Portals eingesetzt. Unser Ziel ist, dass UUX und die Konzentration auf den Menschen zukünftig noch mehr als strategischer und anwendungsübergreifender Ansatz bei der Verwaltungsdigitalisierung verstanden wird.

Was ist Ihre persönliche Vision für die Öffentliche Verwaltung 2030?

Die öffentliche Verwaltung 2030 versteht sich als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft. Für diese Zielgruppen bietet sie ganzheitlich konzipierte digitale Services an, die guten und intuitiven Bedienkomfort mit einem hohen Sicherheitsniveau verbinden. Die internen Prozesse sind so organisiert, dass Ebenen übergreifende Kooperation, Wissenstransfer und Vernetzung als selbstverständlich zu betrachten sind. Der Verwaltungsarbeitsplatz ist mit zeitgemäßen digitalen Werkzeugen ausgestattet und wird in Behörden ebenso sicher benutzt wie unterwegs oder im Homeoffice. Digitale Kompetenz ist keine separate Anforderung an Bedienstete und Führungskräfte, sondern gehört zum Selbstverständnis der öffentlichen Verwaltung.

Foto von Thomas Popp

Thomas Popp ist seit 2019 als Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung Mitglied der Sächsischen Staatsregierung. Neben der Digitalisierung setzt er sich auch für die notwendigen strategischen Veränderungen in der Organisation und Personalstrategie des Freistaates Sachsen ein.

Thomas Popp
CIO und Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung
Freistaat Sachsen

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