Interview

Andreas Fiedler

Welche Erfolgsgeschichten zur benutzer*innenzentrierten Gestaltung von behördlichen Anwendungen konnten Sie im Rahmen des brain-SCC OZG-Praxistages identifizieren?

Wir sind als IT-Dienstleister für viele Kommunen zuständig, zu unseren Kunden gehören dabei auch kleinere Gemeinden und Landkreise. Gemeinsam mit unseren Kunden veranstalten wir einmal pro Jahr einen Praxistag. Die wachsende Unsicherheit in den Kommunen zum OZG spielt dabei eine wachsende Rolle – besonders zentral ist die Frage, wie die digitalen Leistungen am Ende ihren Weg in die Kommunen finden. Kommunen müssen dabei stets die Prozesse der internen Digitalisierung, aber auch die Anforderungen der Bürger im Blick behalten.

Wenn wir eine echte digitale Transformation erreichen wollen, dann muss der öffentliche Sektor erheblich weiterdenken, als es das OZG im Moment tut.

Andreas Fiedler
Empfehlungen für die Praxis

Eine OZG-Leistung, mit der wir uns in diesem Zusammenhang besonders intensiv beschäftigt haben, ist die gemeinsam mit dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern entwickelte digitale Baugenehmigung. Im Kern eines Digitalisierungslabors stand die Frage, wie man diese Dienstleistung der öffentlichen Verwaltung gebrauchstauglich gestalten kann. Dabei geht es für uns in der OZG-Umsetzung nicht nur darum, die Bedürfnisse der Bürger zu berücksichtigen; man muss einen solchen Onlinedienst stattdessen an den Bedürfnissen aller involvierten Akteure ausrichten – sonst kann man analoge Prozesse nicht erfolgreich digitalisieren. Insbesondere die Power-User müssen dabei stets mit an Bord geholt werden; im Fall der Baugenehmigung sind das insbesondere die Architekten. Deren Sicht aus der Praxis hat in den Digitalisierungsworkshops die von Verwaltungsstrukturen geprägte Perspektive ergänzt und bereichert. Und natürlich müssen auch die Mitarbeiter der Behörden eingebunden werden: Auch hier sollte man genau hinschauen, denn auch die Perspektiven der obersten Baubehörde und der unteren Baubehörden waren hier erstaunlicherweise an vielen Stellen nicht deckungsgleich.

Im Digitalisierungslabor wurden Klick-Dummys für bestimmte Prozesse entwickelt, die immer weiter Schritt für Schritt analysiert und optimiert wurden und in der OZG-Referenzimplementierung für die digitale Baugenehmigung mündeten. Wichtig war dabei, mehrere Interaktionsschleifen zu drehen – das hat in diesem Labor damals sehr gut funktioniert. Auch der Umstand, dass manche Formate aufgrund der Rahmenbedingungen digital durchgeführt werden mussten, hat den Prozess nicht wirklich eingeschränkt. Die Architekten waren sehr schnell begeistert von unserem MVP und unserem Ansatz, stärker in Lebenszyklen zu denken. Im Lebenszyklus werden mehrere Leistungen entlang des gesamten Prozesses miteinander verknüpft, sodass der Antragsteller schnell und einfach und ohne doppelte Eingabe schon vorhandener Informationen im Genehmigungsprozess voranschreiten kann. In unserem digitalen Vorgangsraum wird auch kollaborativ seitens der Bauherr*innen, Architekt*innen oder Ingenieur*innen der Antrag erarbeitet und dann im zweiten Schritt an die Sachbearbeiter*innen übergeben. Die digitale Beteiligung der unterschiedlichen Ämter erfolgt ebenfalls über den digitalen Vorgangsraum. Das hört sich alles zunächst sehr sinnvoll und vernünftig an, ist aber für die öffentliche Verwaltung ein grundlegender Paradigmenwechsel. Wir trennen in unseren Ansätzen nicht mehr streng zwischen digitalen Zugängen für Bürger*innen und Fachanwendungen für Verwaltungsmitarbeiter*innen – wir denken stattdessen in gemeinsamen Vorgängen. Gerade das Nachfragen und das Nachfordern von Unterlagen läuft damit deutlich reibungsloser und effizienter – und auch eine digitale Freizeichnung durch die Bauherren ist dadurch reibungslos möglich.

Meine Vision ist, dass in den kommunalen Verwaltungen nun die Mittel aus dem Konjunkturpaket genutzt werden, um innovativ, pragmatisch und visionär die digitale Verwaltung neu zu denken. Wenn wir eine echte digitale Transformation erreichen wollen, dann muss der öffentliche Sektor erheblich weiterdenken, als es das OZG im Moment tut. Die öffentliche Verwaltung braucht nun zudem intelligente Nachnutzungskonzepte, die auch eine Nachnutzung von besonders gebrauchstauglichen Teilkomponenten erlauben. Kommunen können dabei sehr stark auch untereinander von ihren Erfahrungen profitieren. Denn nach unserer eigenen Wahrnehmung sind die meisten kommunalen Prozesse zwischen verschiedenen Kommunen zu ungefähr 90 Prozent deckungsgleich – an dieser Stelle müssen wir ganz dringend die sich daraus ergebenden Synergien nutzen. Wir haben beispielsweise aktuell bereits eine Arbeitsgruppe mit unseren Kunden, wo digital abgebildete Leistungen untereinander getauscht werden können – das führt bereits jetzt zu vielen derartigen Synergieeffekten.

Foto von Andreas Fiedler

Andreas Fiedler ist Projektleiter für digitale Verwaltung in der brain-SCC GmbH und verantwortet die Entwicklung der OZG-Referenzimplementierung für die digitale Baugenehmigung. Diese Lösung steht nach dem EfA-Prinzip für eine Nachnutzung durch interessierte Bauämter zur Verfügung.

Andreas Fiedler
Projektleiter Digitale Verwaltung
brain-SCC GmbH

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